Portrait einer Vision: Walby stellt das IGLU vor

Fenster

Progressiver Ort der Gemeinnützigkeit, des Perspektivwechsels, des Austauschs und des fairen, ressourcenschonenden Konsums.

All das vereint in einem… ja, was? – Laden? Verein? Coworking Space? – Nope, das IGLU ist eine “guG”. Will heißen: Eine gemeinnützige Unternehmer*innen Gesellschaft.

Und das in Kölns schönster Mitte: Dem Agnesviertel, respektive am Sudermanpatz, an der Ecke eines ansehnlichen Altbaugebäudes. Hier habe ich von IGLU-Co-Geschäftsführerin Elena erfahren, was hinter dieser guG steckt und wie die sich eigentlich definiert:

Nämlich als rechtliches Pendant zu einem Verein, den man aber mit mind. sieben Leuten gründen muss, während die Schöpfer*innen des IGLU  2020 zu zweit waren. Ergo die niedrigschwellige Variante der guG, die sich inzwischen zu einer echten Eierlegendenwollmilchsau gemausert hat.

Warum das Ganze dabei das Siegel „gemeinnützig“ tragen darf, erklärt sich durch Elenas bunte Schilderungen dann ganz von selbst:

Elena viereckig

Back to Basic: Kleidung, Essen & Austausch

IGLU ist ein Akronym und steht für „Inspiration für Gemeinwohl und Lernort zum Umdenken“.

Hier gibt es drei Standbeine: Hier vorne sitzen wir gerade im Shop, da gibt es ökofaire Kleidung zu kaufen; das sind alles Retouren, Restposten, Muster, Fehlproduktionen – manchmal weiß man da gar nicht genau, warum das jetzt eine Fehlproduktion war und manchmal sind da kleine Flecken, die versuchen wir dann rauszuwaschen oder zum Beispiel mit Visible Mending (A.d.R.: Aufbringen einer sichtbare Stickerei als „Flicken“) zu übersticken und so können die Kleidungsstücke länger im Zyklus bleiben und werden hier für den halben Preis verkauft; das heißt, mehr Leute können es sich auch leisten, öko-fair zu kaufen.

Hier vorne gibt es dann auch diese Upcyclingprodukte von Leuten aus Köln und Umgebung. Dann haben wir noch unseren kleinen Supermarkt, da arbeiten wir mit The Good Food zusammen; das sind Lebensmittel, die abgelaufen oder fast abgelaufen sind oder Resternten – Und dann können die Leute sich mal wieder fragen: Was ist es mir eigentlich wert, diese Packung Chips, die jetzt abgelaufen ist oder diese Aubergine, die vielleicht in den nächsten drei Tagen gekocht werden sollte; ist das jetzt weniger wert oder ist das vielleicht auch einfach egal? Und was zahl ich eigentlich normalerweise dafür oder werfe ich es einfach in den Korb und passe gar nicht auf?

Deshalb finde ich es auch sehr schön, dass hier zwei Konsumarten, mit denen man so am häufigsten konfrontiert ist, also einfach sich anziehen und etwas essen – es gibt natürlich noch andere wie Energie oder Mobilität usw. – aber dass hier schon mal zwei so vereint sind, das finde ich richtig gut.

Und unser dritter Raum ist unser Tauschraum, der ist auch so ein bisschen unser multifunktionaler Raum; zum Beispiel ist da heute Abend noch ein Treffen von Architects for Future, morgen Abend zeigen wir einen Film, also solche Sachen finden da auch statt. Oder wenn wir Schulklassen hier haben, dann wird das alles ein bisschen umgebaut und dann ist das die Nähwerkstatt.

Ein Konzept, das erstmal verstanden werden will

Was ich am meisten höre, ist, dass Leute hier reinkommen und sagen „Ich bin jetzt schon so oft hier vorbeigelaufen – Was ist das hier?!

Weil man es vielleicht nicht so richtig versteht; Man denkt, es sei ein Klamottenladen, aber dann hatten wir jetzt auch einige Monate eine Fensterinstallation vom Allerweltshaus und dann denkt man sich auch so „nee Moment, warum hängt da jetzt dieser Globus, was ist das?!“ – Und dann sind eigentlich immer alle sehr begeistert von dem Konzept und was es auch alles verbindet. Also dieses Lebensmittel retten, Klamotten retten; das macht auch irgendwie Sinn, das so zu verbinden. Dann haben wir noch ein Jeansrecyclingprojekt, das sehr gut angenommen wird und eine weitere häufige Erfahrung, die wir machen, ist, dass Leute auch einfach so zum Reden kommen; Wir haben ja auch hier vorne diese Sitzecke. Also  das würde man in einem normalen Klamottenladen jetzt vielleicht auch nicht unbedingt machen.

Ich hab einfach das Gefühl, dass das ein ganz besonderes Konzept ist, dass man jetzt nicht so schnell ein zweites mal findet, mit all den Punkten, die es hier hat. Und da merkt man schon, dass man es eigentlich in einem Satz auch nicht beschreiben kann, weil man dann immer sagen muss „und dann gibt’s ja auch noch… und es gibt noch…“ Es ist einfach super vielseitig und für viele Geschmäcker was dabei.

Es gibt auch die Leute, die kommen nur hierhin, weil sie öko-faire Kleidung kaufen wollen, dann gibt’s Leute, die wollen nur Lebensmittel retten, dann gibt’s Leute, die wollen nur tauschen und dann gibt’s Leute, die wollen sich nur einen Film angucken.

Und auch einfach so Gemeinschaftsräume; Räume für Austausch zu so wichtigen Themen wie zum Beispiel „Wie kann ich Ressourcen-schonend leben? Wo kann ich überhaupt anfangen, so Gleichgesinnte zu treffen? Und dann aber auch einen wohlwollenden Raum zu haben, wo man auch ankommen kann, wenn man jetzt erst anfängt, und wo man Starthilfe kriegt, sozusagen.

Schwieriger Start - Und doch beständig, dank Herzblut

Hier ist halt auch immer was Neues; weil es die verschiedenen Bereiche im Laden gibt, aber auch die Sachen, die man sonst noch macht; Man ist ja nicht nur hier, sondern man macht dann auch noch Workshops irgendwo anders oder vor kurzem hab ich einen Vortrag gehalten z.B., und dann hatten wir in diesem Jahr den großen Schritt gewagt, dass Dietha und ich die Geschäftsführung übernehmen; mit dem Wissen, dass wir das nicht komplett ehrenamtlich machen können. Dieser Laden ist finanziell eigentlich schon ziemlich prekär aufgestellt von Anfang an, also auch durch so eine Corona-Gründung, wo man nie so ganz durchstarten konnte – bzw. es gab einen Start und dann wieder einen Schritt zurück. Deshalb freue ich mich einfach, dass es den noch gibt, auch mit der Personalbelastung finanziell gesehen, die es im letzten Jahr noch nicht gab, weil die Geschäftsführung ehrenamtlich gemacht wurde vorher, und seit einem Jahr halt nicht mehr – und dass wir das geschafft haben.

Solidarität als Wirtschaftsmodell

Man kann im IGLU ja auch Mitglied werden; Wir versuchen da ein Gemeinschaftsbasiertes Wirtschaftsmodell umzusetzen. Das kommt aus der solidarischen Landwirtschaft und zwar ist die Idee, dass es eine Gruppe gibt und die findet eine Idee gut, irgendeine Unternehmung, irgendein Projekt – und alle geben einen Teil, um das zu finanzieren und tragen so das finanzielle Risiko.

Und in unserem Fall ist es so: Man kann Mitglied im Tauschraum werden und dann zahlt man einen selbstgewählten Mitgliedsbeitrag innerhalb einer Preisspanne, die wir vorgeben, und dann kannst du zum Beispiel 15 Euro im Monat zahlen und wenn das dann 50 oder 100 Leute machen, irgendwann reicht es halt und wir können die Miete davon zahlen, das ist so ein bisschen der Sinn dahinter. Und auch, dass man rauskommt aus so einer Tauschlogik: Ich zahl jetzt 15 Euro und dann will ich dafür aber das, das und das, sondern nein; du zahlst jetzt einen Preis, den du gewählt hast und  dann gibt es diesen Ort, dann machen wir die Sachen, die wir machen. Es ist also nicht wirklich so ein direkter eins zu eins Tausch, sondern einfach: Dir gefällt dieser Ort, dann gib etwas und so kann unser Angebot dauerhaft existieren und du kannst es nutzen!

Ein organisch wachsendes Angebot: Von Stricktreff bis Filmabend

Also was so regelmäßig stattfindet sind zum Beispiel jeden Montag der lockere Stricktreff – seit fast einem Jahr, geboren im Mitgliederfrühstück letztes Jahr, als ich mich mit einer Person, die Mitglied ist, unterhalten habe und wir hatten beide so Strickprojekte, die wir niemals fortführen und wir brauchten ein bisschen sozialen Druck. Daraus entstand der Stricktreff; einem wird nicht unbedingt geholfen, weil es jetzt nicht alle perfekt können, aber wenn man die Masche verliert, weinen wir alle gemeinsam.

Dann gibt’s jeden Donnerstag die offene Upcycling-Werkstatt, von 11 bis 14 Uhr, da kann man mit eigenen Projekten kommen, wenn man Hilfe braucht, man kann aber auch einfach kommen, weil man gerne Gesellschaft hätte oder weil man vielleicht keine Nähmaschine hat. Das sind so die regelmäßigen Events und dann gibt’s auch ungefähr einmal im Monat einen Kleidertausch der offen ist, also nicht nur für die Leute, die hier Mitglied sind, sondern alle, die einfach Bock darauf haben. Da gibt’s häufig auch ein Motto, zum Beispiel Curvy Kleidertausch, also große Größen, dann gibt’s bald Schick&Glitzer, weil wir dachten, die Weihnachtsparties starten ja jetzt und für Silvester braucht man auch ein Outfit – also alles, was glitzert muss dann mal ausgepackt werden.

Ja und außerdem gibt es einmal im Monat Freitag abends „Rette dein Lieblingsteil“, das ist so ein Crashkurs für Änderungsarbeiten. Also die Hose kürzen, Reißverschluss wechseln, solche Sachen eben.

Ja das sind so die regelmäßigen Sachen und dann gibt‘s immer mal wieder sowas wie zum Beispiel dass wir einen Film zeigen, das sind meistens Dokumentationen die irgendwas mit unseren Themen zu tun haben und dann haben wir manchmal Vorträge da, wir hatten auch schon zwei Lesungen hier, also so ganz Unterschiedliches. Und dann gibt’s immer mal wieder Anfragen von Externen, die den Raum hier brauchen, sowas wie das Köllektiv dann, Leute die eine Infoveranstaltung machen wollen, aber auch so aus den eigenen Reihen; unsere Ehrenamtlichen, die sind ja nicht nur hier, die haben ja auch ein Leben und Interessen; da gab’s zum Beispiel von Ralph, der hier ehrenamtlich tätig ist, einen Vortrag über die Psychologie hinter der Nachhaltigkeit – sowas also auch.

Und dann haben wir hier auch Upcyclingprodukte von Leuten aus Köln und Umgebung und da passiert es auch, dass wir manchmal sagen „Du verkaufst doch hier deine gehäkelten Sachen, willst du vielleicht mal eine Häkel-Workshop bei uns machen?“. Über den Shop kommen also auch so Ideen; das sind vor allem Leute, die haben dann einen ganz kleinen Onlineshop aber werden nirgendwo repräsentiert und dann versuchen wir immer rauszufinden, ob sie vielleicht auch an diesem praktischen Aspekt Interesse haben, weil uns hier sehr daran gelegen ist, dass man hier nicht nur irgendwas kaufen kann oder was erzählt kriegt, sondern dass man wirklich Hand anlegt sozusagen und den praktischen Aspekt mitnimmt was zu machen wo man vorher dachte „Das kann ich nicht, das ist super schwierig“.

Meistens ist das alles auf Spendenbasis, manchmal gibt’s einen Richtwert, zum Beispiel bei „Rette dein Lieblingsteil“ oder wenn wir Filme zeigen, denn für die muss man Lizenzen zahlen und die wollen wir dann natürlich irgendwie wieder reinkriegen. Meistens sind die Sachen aber eben auf Spendenbasis, der Sinn dahinter ist für uns, dass Leute das machen und finanziell das nicht als Hürde ansehen und sich einfach mal trauen und den Anfang machen.

Die Vita als Gesellschaftsmetapher: Das große Umdenken

Ich selbst hab eigentlich immer nur bei Filmproduktionen gearbeitet und – du kennst es (Anm.d.Red.: Ich hab vorher auch viel Film- & TV gemacht) – irgendwann kriegt man dann die Krise, und hat keine Lust mehr darauf und dann war ich in so einer Phase in der ich halt Weiterbildungen gemacht hab und geguckt hab: Was hat mit eigentlich daran gefallen, was könnte ich aber auch woanders machen und dann ging das über einen Bekannten, der wusste, dass hier jemand gesucht wird. Und ich habe tatsächlich vor diesen Jahren beim Film mal Modedesign studiert und dann dachte ich so „Ach ja, da war ja was…!“ und ich konnte mir damals eigentlich nicht vorstellen, dass ich jemals was mit Mode zu tun hab – aber siehe da, hier bin ich. Und so kommt auch dieses Nähen wieder zurück, was ich dann lange nicht mehr so wirklich gemacht hatte und auch noch nie anderen beigebracht habe.

Und damals in meinem Studium hat es auch keine Rolle gespielt, was nachhaltige Textilien sind, da ging es ganz platt ums Modedesign und irgendwelche Entwürfe, es gab kein Fach wie man das anders machen könnte und deswegen finde ich das jetzt irgendwie schön; Was ich damals sehr kritisiert habe, dass ich mich jetzt im Nachhinein nochmal auf dem Wege damit beschäftigen kann, was wir hier anbieten und wie das produziert ist. So schließt sich der Kreis.

Eine Bubble der Hidden Champions

Das Netzwerk ist total wichtig. Wir versuchen mit allen, die uns sozusagen gleichgesinnt sind, zusammenzuarbeiten und uns auch Bälle zuzuspielen. Das fängt schon an, wenn man irgendein Förderprogramm findet, dann schickt man das verbundenen Organisationen und sagt „Hey guckt mal, vielleicht ist das auch was für euch“, also das gehört auf jeden Fall dazu, dass man da miteinander arbeitet.

Es gibt ja in Köln z.B. auch den Zero Waste Köln Verein, die sind bei uns Mitglied, weil sie unsere Räumlichkeiten für Vorstandssitzungen oder sowas nutzen. Da ist uns total daran gelegen, dass wir Sachen gemeinsam machen und uns so zuarbeiten. Denn alle sind ja auch in dem gemeinnützigen Bereich ähnlich aufgestellt; Es gibt immer superviel Ehrenamt, es gibt meistens irgendwelche finanziellen Aspekte, die schwierig zu meistern sind und deshalb freuen wir uns immer, wenn wir zusammenarbeiten können.

Ich hab nicht viele Vergleichswerte, was andere Städte angeht – weil ich schon seit fast zehn Jahren in Köln wohne und nur hier gearbeitet habe – Aber ich habe den Eindruck, dass es hier auf jeden Fall viel gibt, auch viele kleine (Anm.d.red.: Projekte und Organisationen), die sich vernetzen müssen, aber wenn man da erstmal in so einer Bubble drin ist, dann merkt man: Da gibt es ganz Viel und ganz viele Leute, die sich engagieren, in ganz verschiedenen Themen.

Hach, so ein schönes Schlusswort!

Da ist man als Texter*in ja immer wahnsinnig dankbar für. Schön.

Ich grätsche trotzdem nochmal rein, um kurz einzuordnen, was das nun mit Walby zu tun hat:

Genau diese Bubble möchten wir für euch zugänglich machen und allen, die schon drin sind, helfen, sich noch besser zu connecten. Es gibt so viel Gutes da draußen, das man entweder genießen oder aktiv supporten kann (schaut dafür gerne in unserer community vorbei!).

Womit wir auch beim Thema wären: Das wunderbare Konzept des IGLU (…Cologne at its finest, wie ich finde) kann noch eine Menge Unterstützung gebrauchen; Neben den Gesellschafterinnen, ein paar Mitarbeitenden und einer Bundesfreiwilligen wird der Laden ganz wesentlich von den ehrenamtlichen Helfer*innen am Laufen gehalten. Vor allem wird Support im Shop, respektive beim Verkauf gesucht, sowie punktuell für Eventorganisation und -umsetzung. Wenn ihr also Lust habt, euch hier zu engagieren oder einfach die wundervollen Angebote in Anspruch zu nehmen, schaut doch mal an der schönen Sudermanplatz-Ecke vorbei. Ich wünsche euch extrem viel Freude dabei!

Eure Julia für Team Walby

Und hier geht’s in die App:


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